Gute Nacht – Anne Bourse, Lewis Hammond, Yu Nishimura, Vera Palme und Trevor Shimizu

The exhibition is inspired by the song Gute Nacht (good night), from Franz Schubert's cycle "Winterreise" (1827). This first "concept album" in history springs from the Romantic period, but seems to deliver something much more subversive. This piece opens the cycle of 24 songs and sets the tone for the whole. Although the tonality is rather serious and sombre, the text, written by Wilhelm Müller in 1824, develops a clear ambivalence in relation to the concept of love and faith. In the interweaving of text and music itself, a sense of lightness emerges. Even if isolated and foreign – thus begins the lied "I arrived a stranger, a stranger I depart” - , the character seems to escape the yoke of alienation. Also, through the verses " Love delights in wandering, God made it so " Schubert seems to distance himself from a conservative definition of love or even to mock it. When the traveller enters the space of the night to say goodnight to his beloved who has left him, he finally appears as free. The political context of Germany and Austria in the 1820s supports this reading in a broader sense. The Winterreise cycle was written during the so-called Restoration, a "wintry" and austere period after the fall of Napoleon. It was marked by censorship and restrictive measures introduced by the new alliance between the Russian and Austrian empires and the Kingdom of Prussia. Together they are redefining a territory where national borders no longer correspond to linguistic realities or even cultural aspirations. The stranger in Schubert's work could be the one who experiences this alienation. Wandering, in all its forms, whether physical, mental or artistic, brings him a form of emancipation.

The exhibition combines works by five artists - Anne Bourse, Lewis Hammond, Yu Nishimura, Vera Palme and Trevor Shimizu - around a free interpretation of Gute Nacht. It mixes lightness and darkness, joy and nightmare, but at the same time also opens up a fluid transition between reality and fiction, figuration and abstraction. The paintings of Yu Nishimura and Trevor Shimizu depict, each in their own way, ordinary things. Lined up neatly next to each other, the sluggish, sometimes blurred cats with the wide-open, piercing eyes by Yu Nishimura appear to be like an echo of the saying "All cats are grey at night". It is a moment in which everything becomes indistinct in the darkness, in which one can both be deceived and hide oneself. In Shimizu's Baseball and Hentai (revised) (2013-2015), the banality of everyday life, like watching TV, is extrapolated through the simplicity of "bad painting". It is mixed with a crude, even clumsy humour that reveals a deep-seated form of existential fragility. Oscar the Grouch (2015) portrays a fictional character who is both a fantastical and familiar figure and who might reside in children's dreams.

A deeper darkness creeps into the works of Vera Palme and Lewis Hammond. The five tone-on-tone paintings by Vera Palme trace a thread between figuration and abstraction. Through painterly gestures ranging from short strokes to large constructive lines, they touch the boundaries of material, time and the existence of painting itself: Her Time Stamp Paintings (2022) are memory and spirit, practical action and acute event at the same time. While his anchoring in figurative painting is certain, Lewis Hammond's work I can feel the changes (2018) also leaves a mystery. We are left in the dark about this figure with its naked back turned to us and the back of its head cut off. The chromatic palette triggers questions of identity here. As for Anne Bourse's work, it bears witness to an ambivalence between intimacy, phantasmagoria, relaxation and sometimes a kind of subliminal violence. The tension between lightness and brutality is particularly palpable in the work Lever de soleil, coucher de soleil, où je suis en ce moment (1) (2021). The leopard patterns of the patiently hand-drawn mattresses contrast with the metal frame of the bed, which itself is strangely reminiscent of the furnishings of children's dormitories. A kind of oppression spreads that actually hardly allows for happy memories.

Gute Nacht reflects a sense of permeability that pierces the density of the night.

Oriane Durand

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Gute Nacht – Anne Bourse, Lewis Hammond, Yu Nishimura, Vera Palme und Trevor Shimizu

Die Ausstellung ist inspiriert von dem Lied Gute Nacht, aus Franz Schuberts Zyklus "Winterreise" (1827). Dieses erste "Konzeptalbum" der Geschichte entspringt der Zeit der Romantik, scheint aber etwas viel Subversiveres zu liefern. Dieses Stück eröffnet den Zyklus der 24 Lieder und gibt den Ton für das Ganze an. Obwohl die Tonart eher ernst und düster ist, entwickelt der von Wilhelm Müller geschriebene Text (1824) eine deutliche Ambivalenz in Bezug auf den Begriff der Liebe und des Glaubens. In der Verflechtung von Text und Musik selbst entsteht ein Gefühl der Leichtigkeit. Auch wenn die Figur isoliert und fremd ist, scheint sie dem Joch der Entfremdung zu entkommen. Auch durch die Verse „Die Liebe liebt das Wandern, Gott hat sie so gemacht“ scheint sich Schubert sogar von einer konservativen Definition der Liebe zu distanzieren oder gar zu verspotten. Wenn der Reisende den Raum der Nacht betritt, um seiner Geliebten, die ihn verlassen hat, Gute Nacht zu sagen, erscheint er schließlich als frei. Der politische Kontext Deutschlands und Österreichs in den 1820er Jahren unterstützt diese Lesart im weiteren Sinne. Der Zyklus Winterreise wurde während der sogenannten Restauration geschrieben, einer "winterlichen" und strengen Zeit nach dem Sturz Napoleons. Sie war geprägt von Zensur und restriktiven Maßnahmen, die durch das neue Bündnis zwischen dem russischen und österreichischen Kaiserreich und dem Königreich Preußen eingeführt wurden. Gemeinsam definieren sie ein Territorium neu, in dem die nationalen Grenzen nicht mehr mit den sprachlichen Realitäten oder gar den kulturellen Bestrebungen übereinstimmen. Der Fremde in Schuberts Werk könnte derjenige sein, der diese Entfremdung erfährt. Das Wandern, in all seinen Formen, sei es körperlich, geistig oder künstlerisch, bringt ihm eine Form der Emanzipation.

Die Ausstellung vereint Arbeiten von fünf Künstlern*innen - Anne Bourse, Lewis Hammond, Yu Nishimura, Vera Palme und Trevor Shimizu - rund um eine freie Interpretation von Gute Nacht. Sie vermischt Leichtigkeit und Dunkelheit, Freude und Alptraum, aber eröffnet zugleich auch einen fließenden Übergang zwischen Realität und Fiktion, Figuration und Abstraktion. 

Die Malerei von Yu Nishimura und Trevor Shimizu schildert, jede auf ihre Weise, gewöhnliche Dinge. Fein säuberlich nebeneinander aufgereiht wirken die trägen, manchmal unscharfen Katzen mit den weit geöffneten, stechenden Augen von Yu Nishimura wie ein Echo auf die Redewendung "Nachts sind alle Katzen grau". Es ist ein Moment, in dem in der Dunkelheit alles undeutlich wird, in dem man sich sowohl täuschen lassen als auch selbst verstecken kann. In Shimizus Baseball and Hentai (revised) (2013-2015) wird die Banalität des Alltags, wie Fernsehen schauen, durch die Einfachheit des „Bad Painting“ extrapoliert. Sie vermischt sich mit einem groben, ja sogar plumpen Humor, der eine tiefsitzende Form existenzieller Zerbrechlichkeit offenbart. Oscar the Grouch (2015) portraitiert eine fiktive Figur, die sowohl einer fantastischen als auch einer vertrauten Gestalt ist und die in Kinderträumen wohnen könnte. 

Eine tiefere Dunkelheit schleicht sich in die Werke von Vera Palme und Lewis Hammond ein. Die fünf Ton in Ton gehaltenen Malereien von Vera Palme spannen einen Faden zwischen Figuration und Abstraktion. Durch malerische Gesten, die von kurzen Strichen bis hin zu großen konstruierenden Linien reichen, berühren sie die Grenzen des Materials, der Zeit und der Existenz der Malerei selbst: ihre Time Stamp Paintings (2022) sind Erinnerung und Geist, praktisches Handeln und akutes Ereignis zugleich. Während seine Verankerung in der figurativen Malerei sicher ist, lässt auch Lewis Hammonds Gemälde I can feel the changes (2018) ein Geheimnis offen. Wir werden im unklaren über diese, uns den nackten Rücken zukehrende Figur mit dem angeschnittenen Hinterkopf, gelassen. Die chromatische Palette provoziert hier Fragen der Identität. Was die Arbeit von Anne Bourse betrifft, so zeugt sie von einer Ambivalenz zwischen Intimität, Phantasmagorie, Entspannung und manchmal einer Art unterschwelliger Gewalt. Die Spannung zwischen Leichtigkeit und Brutalität ist besonders in dem Werk Lever de soleil, coucher de soleil, où je suis en ce moment (1) (2021) spürbar. Die Leopardenmuster der geduldig von Hand gezeichneten Matratzen stehen im Kontrast zum Metallgestell des Bettes, das seinerseits auf seltsame Weise an die Einrichtung von Kinderschlafsälen erinnert. Es breitet sich eine Art Bedrückung aus, die eigentlich kaum fröhliche Erinnerungen zulässt.

Gute Nacht reflektiert ein Gefühl der Durchlässigkeit, das die Dichte der Nacht durchdringt.

Oriane Durand
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